„Quietscheentchen-Debugging und Neurodivergenz.
Was haben ein kleines, gelbes Spielzeug und Neurodivergenz miteinander zu tun? Lasst uns das mal gemeinsam erkunden!
Beginnen wir mit dem Begriff „Quietscheentchen-Debugging“.
Die Idee hinter diesem Konzept stammt aus der Programmierung. Dabei erklärt ein Programmierer einem Quietscheentchen oder einem ähnlichen Objekt das Problem, an dem er arbeitet, laut. Der Akt des Aussprechens und Erklärens hilft oft, das Problem zu klären und Lösungen zu finden. Es ist eine einfache, aber wirkungsvolle Technik, um den Kopf freizubekommen und Probleme klarer zu sehen.
Vielleicht hast du das auch schon mal erlebt?
Mir geht es oft so….
Ich komme mit irgendetwas nicht weiter, finde etwas nicht, habe etwas vergessen, kann - mir völlig logische - Zusammenhänge nicht schlüssig erläutern…
Dann kommt jemand hinzu, bemerkt meinen verwirrten oder überforderten Gesichtsausdruck und fragt: “Was ist los?”
Und kaum beginne ich zu erzählen… ist alles logisch, schlüssig, völlig klar…
“Oh Mann!”, denke ich mir dann allzu oft. “Warum hab ich mich vorher so angestellt???”
Ihr könnt euch denken, wie froh ich war, dass es für dieses Phänomen einen Namen gibt: "Quietscheentchen-Debugging”!
Wie oft habe ich es selbst schon genutzt?
Wie oft habe ich diese Methode, für welche ich lange Jahre keinen Namen hatte, empfohlen?
Wie viele Male haben meine Klient/Innen gemeinsam mit mir Vorträge vor einer Phalanx aus Kuscheltieren gehalten oder vor aufgemalten Smiley-Gesichtern…?
Diese Methode ist toll! Insbesondere für neurodivergente Menschen!
Denn ein neurodivergentes Gehirn denkt und kommuniziert mitunter anders…
Hier sind einige Punkte, wie Quietscheentchen-Debugging für (neurodivergente) Menschen hilfreich sein kann:
1. Reduktion von Druck: Der Druck, in einem sozialen Umfeld zu kommunizieren, kann für viele herausfordernd sein. Ein stiller Zuhörer in Form eines Quietscheentchens, oder eben auch Kuscheltieren, aufgemalten Gesichtern, Lego-Figuren - was auch immer - kann Hemmungen abbauen und den Austausch erleichtern. Die “Absurdität”, komplexe Problemlagen mit einem Quietscheentchen zu diskutieren, nimmt der Situation auch für einen kurzen Moment die Schwere. Manchmal werden dadurch auch neue Lösungsmöglichkeiten sichtbar.
2. Scripting Soziale Situationen stellen oft eine große Herausforderung für autistische Menschen dar. Um nicht (schon wieder) aufzufallen, werden soziale Situationen oft im Vorfeld geübt. Gespräche werden durchdacht, mögliche Antworten inklusive dem passenden Gesichtsausdruck vor dem Spiegel geübt. Und dabei kommt sich manch Eine/r sehr komisch vor… Müsst ihr nicht! Scripting ist eine tolle Übungsmöglichkeit! “Quietscheentchen-Debugging” ist hier quasi eine erweiterte Alternative.
3. Visualisierung von Gedanken: Viele neurodivergente Menschen denken visuell. Durch das Sprechen zu einem Objekt können sie ihre Gedanken strukturieren und komplexe Konzepte verständlicher machen. Gern ermögliche ich auch die Nutzung von Whiteboards, um tatsächliche Visualisierungen zu ergänzen.
4. Entwicklung von Problemlösungsstrategien: Indem Gedanken laut formuliert werden dürfen, können oft neue Perspektiven und innovative Lösungen zu Problemen gefunden werden, die vorher unlösbar schienen. Das geschieht mittels dieser Methode oft mühelos und nebenbei. Hier kommen dann neurodivergente Stärken, wie ein vernetztes Denken, zum Einsatz.
5. Infodumping als Stimming
Sicher kennen auch einige von euch das Thema “Infodumping”. Es kann wohltuend sein, über das eigene Interessengebiet nach Herzenslust zu reden! Hier fühlt man sich sicher, möchte sein Wissen teilen, um vielleicht Mitstreiter zu finden. Es kann eine Form von Stimming sein, sogar eine Art der Zuneigungsbekundung. Leider reagieren menschliche Adressaten nach einer gewissen Zeit womöglich genervt, haben keine Zeit, weiter zuzuhören, sind vom Inhalt überfordert… Quietscheentchen sind hier deutlich “geduldiger”. ;-)
Großartig! Nun muss ich mich nicht mehr gefühlt rechtfertigen, wenn ich Selbstgespräche führe…
Denn hier schwingt doch stets ein gewisses Maß an “Komisch-Sein” mit, oder?
“Mit wem redest du? Führst du etwa Selbstgespräche?”
“Nein, das ist eine renommierte Methode aus dem IT-Bereich. “Debugging”! Kennst du nicht? Solltest du mal ausprobieren!”
Abgang mit “Gewinner-Lächeln” ;-)))
In diesem Sinne: Bleibt neugierig!
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