
Immer wieder treffe ich in Beratung und Coaching auf verzweifelte Eltern, die berichten, dass ihre Kinder an Festivitäten wie Karneval/ Fastnacht/ Fasching, Theateraufführung, Sommerfest in der Schule, Sportfeste etc. teilnehmen müssen. Dies sei fester Bestandteil der Angebote in der Schule. Oftmals gelten diese Festivitäten sogar als Pflichtveranstaltungen.
Aber was tun, wenn bereits im Vorfeld eigentlich klar ist, dass der Schüler/ die Schülerin eben nicht „einfach so“ teilnehmen kann?
Was, wenn zum Beispiel eine Reizfilterschwäche bereits den Aufenthalt im Regelunterricht innerhalb der Klasse beinah unmöglich macht, wenn bereits kleine Geräusche womöglich Schmerzen verursachen.
Feste und Feierlichkeiten in Schule und Kindergarten sind für Kinder mit einer Autismus Diagnose aus vielerlei Hinsicht absolut schwierig.
Eine mögliche Reizfilterschwäche lässt alle Reize - und von denen gibt es bei großen Feiern mit vielen Kindern denkbar viele - ungefiltert auf die Kinder einströmen.
Wir können den Kindern oft kaum erklären, warum in dieser Institution nun eine Feier stattfindet. Die Kinder verknüpfen die Institutionen mit ganz festen Aufgaben und Abläufen - feiern gehört da eher nicht dazu.
Desweiteren bedeutet feiern ganz viel erzwungenes soziales Miteinander….
Insgesamt ist eine vermeintlich fröhliche Feier für autistische Menschen meist nur eins: anstrengend und überwältigend.
„Ja, das muss er aber einfach lernen!“, hören wir dann von Erzieher/Innen und Lehrer/Innen…
Muss er das?
Wirklich?
Das arme Kind!
Und vor allem: Warum?
Was soll der Nutzen sein???
In den meisten Fällen wollen die Kinder selbst am liebsten gar nicht zu solchen „Sonderveranstaltungen“.
Diese finden häufig außerhalb des normalen Schulalltages an Wochenenden statt - also mitten in der dringend nötigen Regenerationszeit.
Wenn sich Eltern und Kinder dann aber doch zu solchen Feierlichkeiten durchringen, da es ja Pflichtveranstaltungen sind und man sonst mögliche Strafen befürchten müsste, bedeutet dies maximalen Stress… und zwar für alle.
Für die Eltern, denn sie müssen als „Safe-Persons“ ihrem Kind ein mehr oder minder unerklärbares „Muss“ vermitteln und dieses durchsetzen. Im schlimmsten Falle riskieren wir hier sogar einen Vertrauensbruch…
Für die Kinder - Reizüberflutung, fehlende Regenerationszeit zu Hause, soziale Interaktion, etc..
Für Kita und Schule.
… Wie?
Aber die hatten doch so darauf gepocht, dass ALLE Kinder teilnehmen…???
Ja - aber wenn dann auch die Kinder, denen man die Zurückhaltung bzgl. dieser Feierlichkeiten evtl. doch besser geglaubt hätte, erscheinen, heißt es oft:
„Ja, wir können uns jetzt aber hier nicht extra kümmern.“, „Schau mal, alle haben Spaß. Mach doch einfach mit!“, „War ja klar, dass das schon wieder nicht klappt…“…
Ähm….?
Insbesondere Schulen und die damit im Zusammenhang stehenden Ämter pochen ja gern darauf, dass neben dem fachlichen auch das soziale Lernen in den Schulen „ach so wichtig“ ist!
Mag sein. Es darf jedoch die Frage gestattet sein, wer das für Menschen mit Beeinträchtigungen in genau diesem Bereich begleiten soll…?
Kaum jemand kennt sich aus, kaum jemand erkennt auch nur ansatzweise die Hürden, die Barrieren, mit denen autistische Schüler/Innen zu kämpfen haben.
Und Feste, möglicherweise noch dazu mit Maskerade, ermöglichen autistischen Menschen kein soziales Lernen… Es passiert dort so vieles zeitgleich, dass es nicht zu verarbeiten ist.
Es mag sich ähnlich anfühlen, als wenn jemand gerade das Autofahren lernen soll und man ihn in der ersten Fahrstunde, noch vor jeglicher Theorie, in die überfüllten Straßen von Megametropolen schickt… Ohne Fahrlehrer, Navi, Fahrassistenten, Automatikgetriebe… Dafür jedoch im Dunklen, bei Regen…
Und was geschieht nach der Teilnahme an einer Feier möglicherweise?
Wenn es richtig schlecht läuft, fallen die Kinder für die nächsten Tage im Unterricht aus, liegen apathisch, krank, völlig erschöpft im Bett… Und wollen an der nächsten Aktivität, die Schule und Kita „anbietet“ sicher nur noch weniger teilnehmen…
WARUM???? Warum also „müssen“ alle Kinder an Feierlichkeiten teilnehmen?
Versucht gern, für Verständnis zu werben, zu erläutern, warum eure Kinder von einem Fernbleiben womöglich deutlich mehr profitieren können.
Sollte dieses Verständnis dennoch ausbleiben und eine Teilnahme „erzwungen“ werden… Ich sag mal so… Im Moment gehen wirklich viele Viren rum… Da möchte man ja niemanden anstecken… Was ich damit sagen will? Holt euch - wenn es wirklich gar nicht anders geht - eine Krankschreibung. Dies dient einfach dem Schutz eures Kindes, denn ihr als Eltern kennt es am besten!
Und wenn ihr zu den Menschen gehört, die sich vielleicht schon die ganzen letzten Monate auf die „tollen Tage“ im Februar gefreut haben:
Viel Spaß im Karneval, bei der Fastnacht, dem Fasching!
Jeder darf feiern und niemand sollte es müssen müssen!
Bleibt neugierig!
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